Der Kunstgesang

Der arme, missverstandene Ausdruck

Kunst kommt von Können habe ich mir am Anfang meines Aufenthalts in Deutschland von meinen Lehrern und anderen "Fachleuten" anhören müssen. Es hat lange Zeit gedauert bis ich begriffen habe: ...und nicht von „künstlich“!

Ich bin mir nicht sicher, ob die Menshen, die mir dieses Zitat nahegelegt haben, selbst das Gewicht der Wörter erkannt haben. Der obengenannte Ausspruch bildet zusammen mit den berühmten Worten „Si canta come si parla“ (Man singt wie man spricht) das meist zitierte, gleichzeitig aber auch das meist unverstandene / missverstandene Duo der Gesangsgegenwart. Der deutsche Ausspruch „Kunst kommt von Können“ sagt uns, ganz diplomatisch, dass die Kunst dem Handwerk näher steht als das einigen Sängern lieb ist. Der italienische Terminus dagegen sagt uns auch schon konkret, wie man die Kunst erreicht! Meiner Auffassung nach ergänzt dieser nämlich, was den deutschen Terminus durch den Zusatz „nicht von künstlich!“ zur Vollversion macht. Und damit es nicht nach einer bloßen Ansammlung von Vermutungen aussieht, lassen Sie mich erklären was ich damit meine.

Haben sie schon die Gelegenheit gehabt, Kinder, erwachsene Laien oder selbst nicht singende Musiker aufzufordern, einen „Opernsänger“ nachzuahmen? Ich schon! Es ist eine traurige Wahrheit, denn sie halten uns einen Spiegel der heutigen Gesangskultur vor. Mit hörbar stark verstellter Stimme, einem künstlich erzeugten (Riesen-) Vibrato (einer sog. „Quintenschleuder“) versuchen sie, ein paar, offensichtlich mit Absicht viel zu laute und angestrengte Töne zu produzieren. Ein ähnlich tragisch komisches Ergebnis entsteht übrigens auch bei dem Versuch, einen Rock- oder Popsänger imitieren zu lassen. Der „Rocksänger“ wird, mit einer sehr rauhen Stimme in der höchsten Lage mehr kreischen als singend, mit schon traditioneller „Luftgitarre“ dargestellt. Sein „Pop-Kollege“ wird mit einem breiten, etwas nasalen Vokalbrei „schnulzend“ unterlegt, mit der obligatorischen „Hand-vor-den-Mund-Geste-als-hielte-man-ein-Mikrophon“, nachgeahmt. Was man von einem Unterhaltungssänger hält, soll mir persönlich egal sein, doch von einem „Opernsänger“ (Kunstsänger) darf so ein Eindruck nicht entstehen.

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„Kunst kommt von Können“ sagt, dass die Kunst dem Handwerk näher steht, als es einigen Sängern lieb ist. „Si canta, come si parla“ sagt dagegen, wie man die Kunst erreicht!


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