Monostatos und die Knusperhexe


Bariton und Monostatos? Bariton und Knusperhexe?

Jeder Sänger hat in seinem Leben eine oder mehrere Traumrollen. Ein Sänger arbeitet meist zielstrebig daraufhin. Für viele Baritone sind solche Traumrollen fast ohne Ausnahme Puccinis Scarpia, Verdis Jago oder Rigoletto; mindestens für "normale" Baritone. Für mich aber nicht.

Seit dem ich mich als Sänger wahrnehme, habe ich neben einigen Rollen, die ich ‚auch gerne einmal‘ singen möchte, zwei Rollen, von denen ich fast besessen bin: Die Knusperhexe in Humperdincks "Hänsel und Gretel" und den Monostatos in Mozarts "Die Zauberflöte". Beide sind interessanter Weise ursprünglich nicht einmal für mein "Stimmfach" geschrieben, aber es sind herrliche Charaktere. Und es sollte sich eine Möglichkeit bieten, mir einen meiner beiden Träume zu erfüllen…

Vorsingen mit überraschender Wendung

Ich hatte eine Einladung zum Vorsingen für 'Die Zauberflöte' von der Bayerischen Kammeroper Veitshöchheim erhalten und bereite mich natürlich für die Rolle des Papageno vor. Aber insgeheim habe ich gehofft, dass ich die Gelegenheit bekäme, den Monostatos zu singen.

Zum Vorsingen fragte mich der Intendant der Bayerischen Kammeroper - Herr Dr. Blagoy Apostolov - noch vor meiner ersten Arie, für welche Rolle ich mich bewerbe. Ich überlegte eine Sekunde und nahm dann meinen Mut zusammen. Ich sagte vorsichtig: "Für Monostatos". Aus dem Munde des Intendanten kamen die Worte: "In Ordnung" doch seine Augen sagten eher: "Das kann noch heiter werden..." Und so sang ich für diese Tenor-Partie vor mit Mozarts Figaro - einer Bassbariton-Partie! Nach der Arie sprang Herr Apostolov vom Stuhl und sagte: "Sie haben den Monostatos!"

Nach Abschluss des Vertrags sagte ich Herrn Apostolov im Scherz, dass er mich nun einer meiner Träume beraubt habe. Aber die Knusperhexe, das beruhigt mich, die bleibt mir noch als Traum erhalten - vielleicht für immer...

Ein Traum wurde wahr - gegen manche Regeln

Es hat mich sehr gefreut, dass ich vertrauensvoll die Möglichkeit erhielt, den Monostatos zu singen. An der Bayerischen Kammeroper war das eine wundervolle Gelegenheit. Nach der Kloiber'schen Fachverteilung kann - und "darf" - die Rolle des Monostatos nur von einem Tenor gesungen werden. Die Herrschaften an den Theatern halten sich an den Kloiber - und nur daran. Ausnahmen haben wohl keinen Platz und keine künstlerische Berechtigung. Folglich hätte ich an kaum einem anderen Theater diese Rolle je singen dürfen. Nun aber HABE ich Monostatos gesungen, und mit welch einer Freude!

Diese kleine Rolle ist wie eine filigrane Miniatur. Jeder Takt, jedes Wort, das Monostatos singt oder spricht, muss mit einer anderen Stimmung, mir einer anderen Stimmfarbe gesungen bzw. gesprochen werden. Ich fühlte mich in der Rolle wie eine kleine Maus: mit einem Puls von 200 schnell auftreten, hechelnd kleine, giftige Bosheiten von mir geben und noch schneller von der Bühne verschwinden. Und das alles immer nur in wenigen Minuten. Es konnte nur Spaß machen!

Von einigen Kollegen erhielt ich viel Lob, weil ich keine Angst hatte, meine Stimme stellenweise und gezielt hässlich zu machen. Aber das läge vermutlich nur daran, fügten sie zu, dass ich nicht wie die meisten Tenöre anstelle des Monostatos eigentlich lieber den Tamino sänge. Ich wollte mich mit dem Monostatos in der Tat nicht um den Tamino bewerben. Dieser Wunsch besteht bei mir nicht! Nicht einmal den Papageno möchte ich lieber singen. Für mich gibt es nur eine passende Rolle in Mozarts Zauberflöte: Monostatos!